Frauen/Damen im MRV
Gleichberechtigung im MRV: In den ersten 24 Jahren durften die Damen mal ausnahmsweise im hochgeschlossenen Kleid ans Steuer. Als 1927 eine Ruderriege des (Mädchen) Lyzeums ins Gespräch kam, gab es
lange Diskussionen, ob Mädchen- und Damen aufgenommen werden sollen. Die extra dazu gebaute dritte Bootshalle, wurde allein von den Herren eingeweiht wurde, die wiederum dann diese „Halle der Damen“
nicht betreten und die Damen-Boote nicht benutzen durften.
Die Damen hingegen hatten keinerlei Mitgliedsrechte, sie durften nur rudern, und wurden erst viele Jahre später zum ersten Mal zu einer Versammlung eingeladen.
1932 war nach langer Diskussion die „Mehrheit gegen gemeinschaftliches Rudern mit den Damen“ und selbst 1948 wurde gemischt-rudern noch ausdrücklich verboten.
Auch die Mädchen und Damen lernten zunächst Körperschwung auf festem Rollsitz, dann Rudern im Riemenboot mit festen Dollen, und durften erst dann ins bis heute kaum veränderte Skullboot.
In den 30er Jahren waren sie aktiver beim Rudern als die Männer – und erfolgreicher!
Stilrudern, dann Stilschnellrudern, schließlich Rennrudern auf vielen Regatten mit vielen Siegen.
(Bericht im MT 1939: Erfolgreicher Mindener Ruderverein auf der großen Frauen-Regatta bei Herdecke:....Besonders gespannt war man auf den Herausforderungspreis der Stadt Herdecke, den sich im Vorjahr
im Senior-Gig-Vierer der Mindener RV sicherte. Ergebnisse: Senioren-Gig-Vierer: 1. Dresdenia Berlin, 2. RV Minden,
Jungmann-Doppel-Vierer: 1.: Mindener
RV,
Senior-Doppel-Vierer:
2. Mindener RV)
Was die Herren erst 1975 schafften vollbrachten die Damen schon 1931: Doppelzweier Weser von bergwärts fahrendem Schleppzug in zwei Teile zerschnitten! „ Die Insassen, zwei Damen, konnten sich nur
mit Mühe retten. Sie sollen zum Ersatz herangezogen werden!“
In den letzten Jahren des tausendjährigen Reiches hält Gertrud Kersten, die Gründerin der Damen-Abteilung, Rundbriefkontakt zu vielen Mitgliedern, die überall als Soldaten stationiert sind – mit
damals gefährlich ironischen Randbemerkungen zu versprochenen Wunderwaffen.
Gleichberechtigung im MRV: Heute sogar beim Tragen schwerer Boote verwirklicht!
MRV-Neuanfang 1945 – 1950
Die Francis-Bridge übernimmt vorübergehend den Verkehr für die von den letzten deutschen Truppen gesprengte Weserbrücke. Die für die Regulierung des Wasserstandes auf der Weser erforderliche
Möhnetalsperre ist zerstört. Das Weserwasser steht 1946 vor der ausgebrannten Regierung (heute BZA), fast am Markt, weit in die Bäckerstraße hinein. Ein großer Teil der Stadt ist mit Stacheldraht
eingezäunt und für Deutsche nicht zugänglich.
In einem politischen Intrigenspiel – man zielt auf einen Zentralsportverein für ganz Minden –werden TV Jahn, Kanuklub, Tennisklub, Alpenverein und Ruderverein bei der Militärregierung als reaktionär
und die Betreiber ihrer Wiedergründungen als Nazifreunde denunziert.
Kompromiss nach vielen unerfreulichen Verhandlungen: Ruderer und Tennisspieler dürfen gemeinsam den MRTC Rot-Weiß gründen. Unter diesem Namen sind dann die Ruderer beim Kreis-Turn- und Sportfest am
4.8.46 dabei. Nur rudern dürfen sie noch nicht und ihr Bootshaus betreten.
Als sie im Frühjahr 1947 ohne offizielle Genehmigung ihr Bootshaus betreten, entdecken sie im dicken Weserschlamm der Bootshalle die Schleifspuren gestohlener Boote; finden wenige aber zerstörte
Boote, schiefe Fenster und Türen, geklaute Installationen und Möbel.
Man findet noch einen Vierer am Pulverschuppen, einen in Neesen und später entdeckt Erich Domeier den Einer Nixe und den Zweier Sonne im nördlichen Kreisgebiet.
Der MRV war tot. Von der Militärregierung aufgelöst, ohne intaktes Bootshaus und Boote, viele Mitglieder gefallen oder noch in Kriegsgefangenschaft.
Der Neuanfang erforderte jemanden, der zu jeder Tages- und Nachtzeit für seinen Rudersport da war: Erich Domeier!
Ein hart arbeitender Motor, nicht störanfällig und mit wenig Fehlzündungen, der viele Räder gleichzeitig in Schwung bringen konnte!
Unerfreuliche Verhandlungen mit Politik, Verwaltungen und Besatzungsoffizieren bis der MRV zunächst auf dem Papier wieder erstand.
Die von der Militärregierung angeordnete Auflösung des Vereins wird vom Mindener Amtsgericht so hinhaltend „bearbeitet“, dass der Mindener Ruderverein 1950 ohne Schwierigkeiten wieder aufleben
kann, als hätte es einen Auflösungsbeschluß nie gegeben.
Mit Mitarbeitern aus Verein und Schule hat Erich Domeier vieles in Schwung gebracht:
Hausinstandsetzung, Bootsreparaturen und Ruderbetrieb. Vereinsmitglieder spendeten insgesamt 5 Glühbirnen – mehr war derzeit in Minden nicht aufzutreiben!
Erst 1950 kamen die letzten 5 beschädigten Boote repariert von der Werft zurück. Schon 1948 gehen Ruderinnen und Ruderer mit großem Bootspulk wieder auf Wanderfahrt, und im gleichen Jahr wird
in Hameln der erste Nachkriegssieg errungen.
Daraus wurde dann eine langjährige Erfolgsserie mit 12, 19, 35 Siegen pro Jahr - wie sie der MRV bis dahin in nur viel kleinerem Umfang bei den Frauen in den 30er Jahren gekannt hatte.
1954: Bester Deutscher Jungruder-Vierer mit Steuermann und
Doppel-Vierer mit Steuermann
1956: Frauen-Vierer bei der letzten gemeinsamen Gesamt-Deutschen
Meisterschaft
bestes westdeutsches Boot nach den starken DDR-Ruderinnen
Schon 1929 war die Ruderriege des Oberlyzeums beim MRV gegründet worden.
1939 folgten Ruderriegen von Bessel-Oberrealschule und Gymnasium. 1954 gründete Erich Domeier als Dachverband den „Verein zur Förderung des Schülerruderns“ (im noch vorhandenen 1. Bootshaus des MRV),
aus dem sich später der Bessel-Ruderclub entwickelte. In dessen neuem Bootshaus am Pumpwerk sind heute auch die Ruderriegen des Herder-Gymnasiums (früher Lyzeum) und des Bessel-Gymnasiums (früher
Bessel-Oberrealschule) untergebracht, die Ruderriege des Ratsgymnasiums rudert beim MRV.
RUDERKABARETT
In den 60er Jahren lieferte das Mindener Ruderkabarett viele Szenen und Songs über den Ruderalltag und die Ruderprominenz bei Gastspielen auf den Deutschen Rudertagen in Kassel, Hannover, Karlsruhe,
Köln, Würzburg, Wien und viele Male im Mindener Bootshaus. Unter anderem zu Pressewartslehrgängen und Wanderrudertreffen des DRV: einem immer wieder begeistert mitgehenden Publikum. Zu den Evergreens
aus dieser Zeit gehört der Bossanova vom Vorstand:
„Wenn das Bootshaus tot, wenn die Kasse leer,
wenn kein Mensch im Boot und kein Training mehr,
Rud´rer Meier 3 fällt dann nichts mehr ein,
als in der Hauptversammlung laut zu schrei´n.
Schuld hat immer nur der Vorstand!
Na das ist doch klar
Schuld hat immer nur der Vorstand!
Ganz egal, was war!
Wenn am Achter mal eine Dolle bricht
Wenn beim Pulln vorm Ziehl Wadenkrampf jäh sticht,
wenn beim Sommerfest Stimmung müde tropft,
und wenn im Bootshaus mal das Klo verstopft.
Wenn der Saal voll Mief, und wenn´s mächtig zieht,
wenn Musik zu hot, wenn´s zu wenig Beat,
wird ´ne Ruderin eines Rud´rers Braut,
und wenn die Jugend zuviel Schlider klaut.
Doch wenn auch der Vorstand sehr zu tadeln ist,
so kriegt er doch vielleicht Bewährungsfrist!
Ruderrevier Kanal
Der Ems-Weser-Kanal und der Weser-Elbe-Kanal waren noch im Anfangsstadium, als der MRV gegründet wurde. 1911 war Baubeginn für das Mittelstück, den Übergang über die Weser und seit 1926 kann man
Achterbahn fahren. Stromab unterm Kanal her, über die Schachtschleuse hinauf zum Kanal, über die Kanalüberführung und über die zwei Schleusen des Südabstiegs mit dem Ost-Hafen geht zurück zur
Weser.
(ausgenommen 1945 bis 1948).
Mit nur zwei Startbahnen ist der Kanal keine Regatta- aber eine gute Trainingsstrecke: Heute wie zu alten Zeiten, als die Herren 1937 den neuen Rennvierer “Sportsmädel” für die Damen über den Kanal
zur Regatta noch Hannover ruderten – einmal und nie wieder!!!
Ziele zahlreicher Kanalwanderfahrten waren Isenstedt mit Schlammbad und Sauna im Westen und Hiddenserborn im Osten.
Der Kanalausbau der 80er und 90er Jahre bescherte uns Spundwände im Stadtgebiet und ließ die Kanalinsel verschwinden. Dafür gab es eine zweite, breitere Kanalüberführung, die sogar von Experten aus
China besichtigt wurde.
Es fehlt noch die zweite, größere Schleuse und für unsere muskelbetriebenen Boote eine kleine Bootsschleuse.
Beim Ausbau des Osthafens - zwischen den beiden Schleusen des Südabstiegs - wurde hier eine breitere Wasserfläche geschaffen und schon beim Blauen Band erfolgreich als Regattastrecke genutzt.
RUDERREVIER WESER
Mancher Ruderverein hat ein schöneres Ruderrevier: einen See und rundum Berge.
Der MRV hat die Weser.
„Du schiebst deinen Kahn in die graubraune Brühe, die Kalisalzlauge hinein....“
Dieser Ruder-Song entstammte den späten Siebzigern, doch das war nicht immer so und ist heute schon wieder Vergangenheit.
Früher – sogar bis Mitte der 50er Jahre - hatte ganz Minden die Weser. Als im Sommer auf beiden Ufern Tag für Tag die Sonnenhungrigen lagen. Als man vom Ludwigsbad, von der Gerbigschen
Badeanstalt, von der Pionierschwimmanstalt im Badeanzug durch die Wiesen stromauf wanderte und dann zum Ausgangspunkt hinunter schwamm. Der MRV installierte 1950 Warmwasser-Duschen. Bis dahin konnte
man den Ruderschweiß bei einem Bad in der Weser abspülen. Bis Mitte der 90er Jahre kamen die Boote mit einem dicken Belag auf der Außenhaut von jeder Fahrt zurück.
Seit Ende der Kaliproduktion an Fulda und Werra ist das
zum Glück Geschichte.
Die Weser hat viele Vorzüge – man sieht es an den vielen Wanderruderern, die besonders auch nach der Wiedervereinigung beim MRV anlegen, ihre Zelte aufschlagen, oder auf Luftmatratzen unterm
Bootsdach schlafen.
Die Weser - zentral in der Republik gelegen – ist zumindest auf weiten Strecken nicht mit Schleusen- und Spundwänden verbaut: dafür hat sie manche Launen und Tücken.
Heutzutage friert sie nicht mehr regelmäßig zu, aber sie steigt gelegentlich noch gewaltig an. Da hat sie 1918 eine Wand des ersten Bootshauses eingedrückt und 1926 fast einen Meter hoch im
Haus „viel Unheil angerichtet“. Das neue Bootshaus war 1956 und auch wieder 1994/95 zu Fuß nicht mehr zu erreichen. Die Mindener Pioniere bauten einen Steg, sodass die Kinder unserer Hausmeister zur
Schule gehen konnten.
Dafür konnte man über die Hausberger Straße und über Kanzlers Weide rudern.
Zum letzten Mal mussten 1968 einige Boote in den ersten Stock hochgehievt und die größeren Boote in der Halle festgebunden werden. 1995 gab es schon für die unteren Bootslagen höhenverstellbare
Auflager.
Bei hohem Wasserstand sind die Buhnen so gerade überspült. Da passiert es auch einem Vorstands-Vierer bei kaltem Wasser im Dezember, dass er festsitzt und die Herren aussteigen müssen.
Bei Niedrigwasser, wenn die Buhnen ganz freiliegen, und große Sandbänke auftauchen, gibt es Löcher im Boot. Erstaunlich, wie viele Kavenzmänner von Steinen der Strom an Stellen legt, wo man sie nicht
vermutet.
Auf der Weser begegnet man heute keinen Raddampfern mit Schleppzug und keinen Flößen mehr. Netzausleger-Kähne und Fähren sind so gut wie ausgestorben.
Aber man ist nie vor Überraschungen sicher.
Auch wenn der Wasserstand am Pegel-Porta per Telefonautomat jederzeit abgefragt werden könnte, ist die Bootsmannschaft frustriert, wenn der neue zweiarmige Hubsteg landseitig unter Wasser
steht.
Möglicherweise ist ein ruhiger See vorm Bootshaus sehr schön, aber die Weser dafür nie langweilig!
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